Der wahre Ganove ist Bürgermeister Fingerle

Ludwigsburger Zeitung (16.05.2011)Dienstag, 14.06.2011 19:29

Gelungene Premiere des Stücks "D'r Landratskandidat" in der Schwabenbühne–Zwei neue Schauspieler


Nach 50 Proben in sechs Monaten wurde es am Samstag ernst: Sechs Schauspieler der Schwabenbühne führten die Horst-Willems-Farce "D'r Landratskandidat" zum ersten Mal auf. Die Laienakteure meisterten die Premiere des Stücks unter der Regie von Bodo Kälber mit Bravour.


Gut, dass dieses einsame Landhaus vier Zimmer hat. So lässt sich durch Versteckspielen das Unvermeidliche so lang wie möglich hinausschieben: Das Aufeinandertreffen der sechs Menschen, deren Geschichten sich nach allerlei Irrungen und Wirrungen mehr oder weniger harmonisch ineinanderfügen.
Da ist Bürgermeister Albert Fingerle, Joachim Hees spielt ihn als dickbäuchigen kommunalpolitischen Opportunisten, der lügt und betrügt, um seiner Kandidatur für den Landratsposten nicht zu schaden. Fingerle sagt Dinge wie "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern", "Pazifisten sind die Schlimmsten" oder "Mit Ganoven habe ich nichts zu tun, aber ein bisschen lernen kann man von denen schon". Er sagt auf Wahlpartys zu zig Leuten "Ich mag dich", weil es ihm nützen könnte, bringt es aber nicht fertig, das auch zu seiner Geliebten Biggi zu sagen, mit der er sich ins Landhaus verkrochen hat. Die liebenswert-naive Biggi, gespielt von Angelika Haug, spricht mit einem sympathischen Lispeln, das besonders erheiternd ist, wenn sie "Anästhesisten" oder "Dass du so stur bist" sagt.
Albert und Biggi bleiben nicht ungestört: In das Landhaus kommt Irene Fingerle (Gabriela Käppeler), Alberts Ehefrau, die Biggi nicht sehen darf, aber selbst einen Obdachlosen vor ihrem Mann verstecken muss. Die Story spielt im Winter, der Wohnungslose kommt vor Kälte zitternd ins Landhaus und heißt passenderweise Jürgen Schlotterbeck (Sven Kapfenstein). Dann sind da noch Harry Weber (Dietmar Heinz), der dienstbeflissene und später halluzinierende Polizist, und Ulli Bieringer (Isabell Herrmann), der hohe politische Besuch aus Berlin, der den Obdachlosen für den Schultes hält und angesichts des Landhaus-Chaos die Fassung verliert. Am Ende hat der Obdachlose die Fäden in der Hand und den politischen Aufstieg vor sich, von dem der Bürgermeister nur noch träumen kann.
Dass bei der Premiere zwei neue Schauspieler auf der Bühne standen, merkten die Zuschauer nicht. Sie wurden zwar zu Beginn von Klaus-Dieter Graf, dem Vorsitzenden der Schwabenbühne, darauf aufmerksam gemacht: "Es gibt ein Rezept gegen Lampenfieber: Ihr Lachen und Klatschen". Aber Gabriela Käppeler und Sven Kapfenstein merkten die Zuschauer keinerlei Nervosität an, beide Neulinge fügten sich nahtlos ins Ensemble ein, spielten ihre Figuren so präsent und überzeugend wie alle anderen und wechselten gekonnt Mimik und Tonfall. Sie sei vor der Premiere sehr aufgeregt gewesen, gestand Käppeler später, "aber als ich auf der Bühne stand, war das vorbei." Im Übrigen, so die 50-Jährige aus Sachsenheim, sei das Publikum "super" gewesen.
Dieses gab das Kompliment durch langen und lauten Applaus zurück. Walter und Rosemarie Aringer gefiel vor allem der Auftritt von Joachim Hees als Bürgermeister. Aber auch alle anderen hätten "sehr gut, sehr professionell" gespielt, meint das Bietigheimer Paar: "Wir können dieses Stück nur weiterempfehlen."

 

Wolf-Dieter Retzbach